Der Equal-Pay-Day ist ein Aktionstag, der darauf aufmerksam macht, dass Frauen weltweit überall weniger verdienen als Männer. Genauer gesagt: er unterstreicht den prozentualen Unterschied im durchschnittlichen Bruttoverdienst von Frauen und Männern.
Heute, am 7. März 2022 ist Equal-Pay-Day - er markiert die statistische Lohnlücke in Höhe von 19 %. Es ist also heute der Tag, bis zu dem Frauen in Deutschland statistisch umsonst arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar 2022 für ihre Arbeit bezahlt werden.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit klingt sehr einleuchtend, ist aber noch lange nicht Realität:
- Frauen arbeiten in schlechter bezahlten Berufen und Branchen und auf niedrigeren Stufen der Karriereleiter als Männer.
- Frauen unterbrechen oder verkürzen wegen Kinderbetreuung und Pflege ihre Erwerbstätigkeit häufiger und länger als Männer.
- Arbeitsanforderungen in so genannten typischen Frauenberufen, z. B. Erziehung und Pflege von Menschen, werden schlechter bewertet und bezahlt als Anforderungen in so genannten typischen Männerberufen, die z. B. mit Technik zu tun haben. Das schlägt sich in der Eingruppierung nieder.
- Sogar bei gleicher Ausbildung, gleichem Alter, gleichem Beruf und gleichem Betrieb erhalten Frauen im Durchschnitt etwa 12 % weniger Entgelt.
Aber was auch wahr ist: Frauen gehen anders mit Gehaltsverhandlungen um, als Männer. Wenn es ums Gehalt geht, sagen Frauen häufig nicht, was sie wollen. Vielleicht, weil sie gefallen möchten, weil sie genügsam sind oder den Wert ihrer Arbeit nicht richtig einschätzen können. Wahrscheinlich gibt es noch viel mehr Gründe. Und - sie sprechen das Thema generell viel seltener an, als ihre männlichen Kollegen. Die Statistik zeigt, dass sowohl im bestehenden Job als auch bei Antritt einer neuen Aufgabe 41 % der Frauen noch nie über ihr Gehalt verhandelt haben, wohingegen dieser Anteil unter Männern bei nur 26 % liegt.
Frauen wollen häufig nicht unverschämt wirken, haben Sorge vor Ablehnung und haben nach meiner Beobachtung weniger Bewusstsein für das Thema. Sie entwickeln wenig Wertschätzung für die eigenen Talente. Frauen, denen ihr Job Spaß macht und leichtfällt, empfinden ihre Arbeit oft als eine Art Hobby, welches "ja nicht so schwer ist" - und dann scheint eine Gehaltsanpassung natürlich wenig passend. Und die Erwartung, dass die Chefin schon mehr Gehalt anbieten wird, wenn sie merkt, dass man gute Arbeit leistet, bleibt in den allermeisten Fällen leider eine Illusion...
Was können Frauen also selbst tun? Prof. Dr. Sieverding (Universität Heidelberg) forscht zu Geschlechtern und Gesundheitspsychologie und gibt Frauen folgende Tipps:
- Frauen, die ihre Karriere – auch nach der Familiengründung – verfolgen wollen, sehen sich oftmals durch ihr soziales Umfeld gehemmt – besonders durch junge Mütter, die ihr eigenes berufliches Engagement zurückstellen. Sie sollten sich daher mit weiblichen Peers vernetzen, die Familie und Karriere miteinander vereinbaren können.
- Es ist wichtig, hin und wieder in fremden Gewässern zu fischen und sich auch mal versuchsweise auf andere Stellen zu bewerben. Dadurch bekommen Frauen ein Gefühl für ihren "Marktwert", können reale Bewerbungsgespräche führen und lernen, souverän aufzutreten. Und wenn dabei ein attraktives Stellenangebot herauskommt: umso besser!
- Eine gute, selbstbewusste und authentische Einschätzung der eigenen Qualifikationen ist vor allem in Bewerbungsgesprächen und Verhandlungssituationen sehr wichtig. Nicht vergessen: Übermäßige Bescheidenheit wird vor allem in diesen Kontexten nie belohnt.
- Vorbereitung ist alles: Vorab sollte man sich über übliche Gehälter und Spielräume in der relevanten Branche/Position sowie über Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten informieren. Das ist die Grundlage für eine erfolgreiche Verhandlung.
Aber ich denke, der wichtigste Tipp ist, sich endlich aktiv um das Thema zu kümmern und einen Termin mit dem / der Vorgesetzten zu machen und sich folgendes vorzunehmen:
- ich bin gut vorbereitet und weiß, was in meiner Branche üblicherweise (Männern) im Markt bezahlt wird.
- Ich bin gut vorbereitet auf die wahrscheinlichen Argumente meines Gegenübers
- ich bin klar, was meine Qualifikation, meine Leistungen und meine Erfolge betrifft. Diese kann ich vermarkten.
- ich werde souverän und forsch auftreten, ich habe keinen Grund eingeschüchtert oder verlegen zu sein.
- Ich bin klar in meiner Forderung und kann diese auch unaufgeregt, aber deutlich formulieren.
- Ich bin mir darüber im klaren, dass private Gründe (Kinder, etc.) nicht geeignet sind eine Gehaltsanpassung zu fordern.
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Melanie (Montag, 07 März 2022 20:00)
Hi Gabi, Danke für den Tollen Beitrag. Ich habe auch das Empfinden, dass frauen noch immer viel härter um ein angemessenes gehalt kämpfen müssen als Männer. In meinen fast 23 Berufsjahren hatte ich schon selbst die ein oder andere situation - auch Freundinnen haben mir immer wieder darüber berichtet. Gute Vorbereitung und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind auch aus meiner sicht sehr erfolgversprechend für ein Gehaltsgespräch beim vorgesetzten. Darauf zu Warten, dass der Chef um die Ecke kommt und einem eine Gehaltserhöhung anbietet, ist wenig erfolgversprechend und die falsche Strategie. Mit Mut, Wissen und Entschlossenheit wird es klappen!
Theresa (Sonntag, 13 März 2022 10:33)
Danke für den interessanten Post zu diesem wichtigen Thema.
Ich denke ebenfalls, dass das Selbstbewusstsein hier keine zu vernachlässigende Rolle spielt.
Eine meiner Kolleginnen vertraute mir vergangenes Jahr an, dass sie seit zwanzig Jahren keine Gehaltserhöhung mehr bekommen hatte und auch nicht danach fragen wollte, weil das was sie mache "ja nun echt ziemlich einfach" sei. Auch ich muss allerdings eingestehen, dass es mir, auch wenn ich bereits öfter mein Gehalt verhandelt habe, wesentlich leichter fiel sie zu ermutigen und ihr Argumente zu liefern, als dasselbe für mich selbst zu tun.
Bei diesem Thema ist es wirklich essentiell, für sich selbst einzustehen und den Wert der eigenen Arbeit richtig einzuschätzen. Und vor allem, die antrainierte Bescheidenheit einmal ein wenig hintenanzustellen.
Die genannten Tipps sind da sehr hilfreich!