Denkfehler: Sunk-Cost-Fallacy

Die Vorstellung war miserabel. Nach einer Stunde flüstern Sie Ihrer Begleitung ins Ohr: „Komm, lass uns gehen.“ Die antwortet aber: „Sicher habe ich nicht 40 € für die Theaterkarten ausgegeben, um jetzt, vor dem Ende zu gehen.“

 

Freunde quälen sich in schmerzhaften Beziehungen oder nicht mehr funktionierenden Ehen und verharren in diesen, weil sie schon so viel emotionale Energie hineingesteckt haben. Unternehmen versenken mit gescheiterten Vorhaben Millionen, führen Projekte weiter, massiv unter dem prognostizierten Erfolg, trotzdem wird entschieden, daran festzuhalten. „Wir haben schon so viel investiert, wenn wir jetzt stoppen, war alles für die Katz.“ In der modernen Leistungsgesellschaft gehört es zum guten Ton, niemals auf halber Strecke aufzugeben - selbst wenn alles deutlich dafürspricht. 

 

Dies sind alles Beispiele, dass Menschen oft und gerne Opfer der so genannten „Sunk Cost Fallacy“ werden. Die menschliche Psyche würde lieber in Zukunft weiter leiden, nur um nicht zugeben zu müssen, dass dem vergangenen Leid jeglicher Sinn fehlt. Und je schmerzlicher das schon investierte, desto überzeugter sind Menschen davon, dass es Sinn hat, weiterzumachen.

 

Priester haben dieses Effekt schon vor Jahrtausenden entdeckt, er liegt zahlreichen religiösen Zeremonien und Geboten zugrunde: Menschen sollten etwas Wertvolles opfern. Je schmerzlicher das Opfer ausfällt, desto überzeugter sind die Menschen von der Existenz des erfundenen Empfängers. Ein armer Bauer, der Jupiter einen unbezahlbaren Stier opfert, wird fest daran glauben, dass Jupiter wirklich existiert, denn wie sollte er sonst seine Dummheit rechtfertigen?

 

Warum aber dieses irrationale Verhalten? Wir Menschen streben danach, konsistent zu erscheinen – damit signalisieren wir Glaubwürdigkeit. Wir möchten Widersprüche vermeiden. Entscheiden wir, ein Projekt in der Mitte abzubrechen, generieren wir einen Widerspruch: wir geben zu, jetzt anders zu denken, als wir früher gedacht haben. Ein sinnloses Projekt weiterzuführen, zögert dieses Zugeben hinaus, wir können so länger konsistent erscheinen bzw. uns konsistent fühlen.

 

Die Concorde war eine Paradebeispiel eines staatlichen Verlustprojektes. Selbst als England und Frankreich schon lange realisiert hatten, dass sich der Betrieb eines Überschallflugzeuges niemals rechnen würde, haben die beiden Nationen weiterhin Unsummen investiert, um das Gesicht zu wahren. Ein verheerender Entscheidungsfehler: der Vietnamkrieg wurde mit der Begründung verlängert, dass das Leben so vieler Soldaten schon für diesen Krieg geopfert worden sind und es so ein Fehler wäre, aufzugeben.

 

Es gibt sehr viele Gründe, etwas weiterzuführen oder zum Abschluss zu bringen, zukünftige Kosten und Ertragsaussichten etwa.

 

Allerdings gibt es einen sehr schlechten: das bereits Investierte zu berücksichtigen. 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Markus Bast (Mittwoch, 08 Dezember 2021 20:14)

    Toller Text Gabi!
    Markus

  • #2

    DJ X-RAY (Freitag, 10 Dezember 2021 10:10)

    Hallo Gabi, schön von dir zu hören. Hier mein 1. Kommentar - aber nur für dich ;-).
    In meiner Zeit als Software Berater kann ich hier wirklich zustimmen. Es gibt wenige Projektverantwortliche die die Reißleine ziehen, wenn eigentlich schon klar ist, dass sich Kosten /Nutzen in Projekten nicht rechnen. Somit wird weiter viel Geld für Eigenentwicklungen verbrannt, obwohl vielleicht eine Softwarelösung von der Stange wirtschaftlicher wäre. Generell steht ja leider immer der „erfolgreiche“ Abschuss im Vordergrund. Was dieser wirklich bedeutet ist in viele Augen sekundär. „Sieben auf einen Streich“ des tapferen Schneiderleins ist da vielleicht sinnbildlich. Danach zu neuen Ufern und nach mir die Sintflut.
    Projekte wie die Concorde, die Mond- (bald Mars-) Missionen, Weltraumflüge für Jedermann, sind Prestigeprojekte. Da steht auch der Fortschritt und die Innovativität im Vordergrund. Es gibt viele fragliche Projekt. ZB. vom Ötzi gibt es mehr MRT-Aufnahme als von mir und der hat keine Krankenversicherung. Versuch du mal heutzutage zeitnah überhaupt einen MRT-Termin zu bekommen. Selbst der Todestag wurde von dem Kerl rekonstruiert und mit einer Autopsie die Todesursache festgestellt. Der Mann ist über 5.000 Jahre tot, wen interessiert, was der Typ vorher gegessen hat?
    Warum machen wir das? Selbstdarstellung und wohl weil wir es können ;-).
    Lieben Gruß, bleibt gesund und bis bald. Miki