Es ist meistens viel einfacher zu wissen, was man nicht will, statt zu wissen, was man eigentlich möchte. Oft hat man das Gefühl, dass Verstand und Gefühl miteinander im Clinch liegen und genauso häufig haben wir so viele Optionen, dass uns schon die Auswahl eines neuen Müslis im Supermarkt vor dem meterlangen Regal in arge Zweifel stürzt.
Aber letztlich sind wir selbst die Experten dafür, was uns guttut, was uns weiterbringt und was nicht. Wir wissen selbst, wie wir ticken, was uns wichtig ist und womit wir gut oder gar nicht umgehen können. Aber sind wir das wirklich? Oder müssen wir uns - um dieses Wissen zu haben - ganz bewusst ein paar Fragen beantworten?
Lass uns die Frage "Was will ich?" in ihre Einzelteile zerlegen:
m ersten Schritt konzentrieren wir uns nur auf das erste Wort: WAS will ich?
Man hat herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der arbeitenden Menschen in ihrem Job nicht zufrieden sind und ausschließlich deshalb arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich denke, es ist also mehr als lohnenswert, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was man für sich finden kann, das überwiegend Freude und Sinn stiftet.
Zunächst wird es wichtig sein, sich des eigenen, langfristigen Zieles bewusst zu werden - sozusagen möglichst ohne Begrenzung und Einschränkung die Vision des eigenen Lebens zu entwickeln. Wenn alles möglich wäre, was würde ich mir gerne zu eigen machen? Was bereitet mir wirklich Freude, was interessiert mich echt? Ein relativ klares Bild von der eigenen gewünschten Zukunft zu haben ist eine wichtige Voraussetzung, sich dieser Vision auch real zu nähern.
Ebenso sinnvoll ist es, sich mit dem eigenen Wertesystem auseinanderzusetzen. Was ist mir wirklich wichtig? Erfolg? Geld? Anerkennung? Zufriedenheit? Spaß? Werte sind subjektiv gut befundene Eigenschaften und Qualitäten. Sie bestimmen, wie wir Dinge wahrnehmen und beurteilen, sie beeinflussen unsere Denkmuster und letztlich auch, wie wir uns verhalten - Werte bestimmen, was uns bedeutsam ist und was wir tun. Sie sind ein wesentlicher Baustein unserer Identität, sie sind der Ton unserer inneren Stimme. Die meisten Menschen aber nehmen ihre internen Bewertungsmaßstäbe nicht bewusst wahr. Wenn du dir deiner Werte bewusst bist, fällt es leichter, Entscheidungen zu treffen und dein Leben danach auszurichten, WAS du wirklich willst.
Diese beiden Bausteine werden es viel einfacher machen, die Antwort auf das " Was" zu finden und die weitere Arbeit (Einholen von Informationen, Konkretisieren, Herunterbrechen, etc.) erleichtern.
Nun zum zweiten Teil: Was WILL ich?
Hier kommen nun ein paar wichtige Abgrenzungen auf uns zu. Wenn wir die Frage stellen "Was will ich?" meinen wir häufig implizit "was kann ich?" oder "Was sollte ich, was wäre am sinnvollsten"? Und darin liegt die größte Herausforderung: sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, was wir wollen (nicht sollen oder können).
Beantworte für dich die Frage, ob du weißt, was dir wirkliche Freude und Erfüllung bereitet. Was sind das für Dinge? Das können im ersten Schritt ganz belanglose Dinge, wie etwa Bewegung an der frischen Luft oder die Interaktion mit anderen Menschen sein. Über diesen Einstieg - was bereitet mir Freude, was gibt mir Kraft, was frustriert mich - kannst du Hinweise darauf ableiten, wie du dein Leben eigentlich führen willst. Langfristig ist die Frage nach dem Sinn relevant. Von der Freude zum Sinn sind es dann nur noch ein paar Schritte und ein bisschen Gedankenarbeit...
Und schließlich das Wichtigste: Was will ICH?
Egal ob Eltern, Partner, Freunde, Chefin oder Kollegen: wir möchten häufig die (angenommenen) Erwartungen anderer erfüllen. Es liegt uns am Herzen, dass die Menschen, die uns wichtig sind, stolz auf uns sein können. Oder wir möchten andere gerne beeindrucken, mit unserer Karriere, mit unserer Verantwortung oder mit unserem Gehalt und Status. Wir wissen also häufig nicht, was wir selbst möchten, haben aber ein gutes Bild darüber, was andere von uns erwarten. Und dabei ist es unerheblich, ob diese Erwartungen tatsächlich geäußert werden, oder wir es nur so empfinden.
Unsere Aufgabe muss es aber sein, unsere eigenen Wünsche herauszufinden und diese gleichzeitig von den Erwartungen anderer abzugrenzen. Es geht darum, für sich ehrlich aufzudecken, wo man versucht, Erwartungen anderer zu erfüllen und wo man selbst diese Erwartungen im eigenen Kopf grösser gemacht hat, als sie in Wirklichkeit sind. Dann kann man seine eigenen Wünsche formulieren und dahingehend überprüfen, ob es wirklich die eigenen sind, oder wieder nur Versuche, Erwartungen anderer zu erfüllen.
"Selbstsucht bedeutet nicht, selbst zu leben, wie man es wünscht, sondern von anderen zu verlangen, dass sie so leben, wie man es erwartet. (...) Eine rote Rose ist nicht selbstsüchtig, weil sie eine rote Rose sein will. Es wäre furchtbar selbstsüchtig, wenn sie wollte, dass alle Blumen im Garten rote Rosen sind." (Oscar Wilde)
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Raymond (Sonntag, 02 Mai 2021 16:10)
das Problem das es zu lösen gilt: wie erreiche/erhalte ich Anerkennung (ohne die geht's halt nicht = Grundbedürfnis) ohne die Erwartungen anderer zu erfüllen?
Karin (Sonntag, 02 Mai 2021 17:04)
.... vielleicht kann es hilfreich sein, sich auch die Menschen, die Erwartungen an uns haben genauer anzuschauen. Und falls diese Erwartungen wirklich unseren eigenen Bedürfnissen entgegen stehen, gilt es darüber nachzudenken, ob diese Menschen es wirklich gut mit uns meinen.... oder gut für uns sind....
Bianca (Dienstag, 04 Mai 2021 16:31)
… und vielleicht ist auch die Frage, ob ich überhaupt Wert auf die Anerkennung von Menschen lege, deren Erwartungen ich eigentlich nicht mit mir selbst vereinbaren kann?
Das heißt also entweder widerstrebend dem Grundbedürfnis nach Anerkennung nachzukommen und mich dabei selbst zu verlieren, oder mir und meinen eigenen Werten, meiner eigenen Ethik und Moral treu zu bleiben und mich auf das andere Grundbedürfnis, dem nach inneren Frieden, zu konzentrieren (und dann Anerkennung von Menschen zu bekommen, die diese Werte/Ethik/Moral teilen).
Moritz (Mittwoch, 05 Mai 2021 17:59)
Die Frage die Ich mir stelle: Wie erkenne ich Unbewusste Erwartungen an meine Person, wodurch mein Handeln beeinflusst wird?